Feministische Wissenschafterinnen
verschaffen sich verstärkt Gehör
Die Gründung eines Verbandes für feministische Wissenschafterinnen beruht auf mehreren Ursachen. Einer der zentralen Ausgangspunkte war die immer noch eklatante Unterrepräsentation freier feministischer Wissenschafterinnen in akademischen und wissenschafts/politischen Kontexten sowie die bislang noch nicht verwirklichten Forderungen von und für freie feministische Wissenschafterinnen. Obwohl im vom Bundesministerium erstellten Weißbuch zur Förderung von Frauen in den Wissenschaftenzum ersten Mal explizit auf freie feministische Wissenschafterinnen Bezug genommen wurde, sind bislang keine adäquaten Umsetzungen erfolgt oder auch nur abzusehen. Ganz im Gegenteil: Die gegenwärtige wissenschafts/politische Stoßrichtung der neuen Koalitionsregierung impliziert offensichtlich keine Verbesserung, sondern mit Entschiedenheit eine Verschlechterung der Situation: Etats werden gekürzt, feministische Forschungsprojekte abgewiesen, Versuche, für österreichische Verhältnisse innovative, in anderen (europäischen) Ländern jedoch seit Jahren bestehende, u.a. auch feministische Theorien und Gender Studies berücksichtigende und international anerkannte Forschungsstrukturen zu etablieren, werden einmal mehr im Keim erstickt.
Selbstverständlich teilen feministische Akademikerinnen als externe Lektorinnen das Los aller externen Lehrbeauftragten, die sukzessive aus den Universitätsbetrieben verdrängt werden bzw. deren Arbeitsverhältnisse äußerst prekär sind.[a] (Lehraufträge werden lediglich pro Studienjahr vergeben, Anträge müssen daher jedes Jahr neu eingereicht werden, wobei es weder eine Garantie dafür gibt, sie abhalten zu können, noch, daß bewilligte Lehraufträge adäquat bezahlt werden – die sogenannte Vergütung für einen nicht-remunerierten Lehrauftrag, die österreichische Bezeichnung für unbezahlte Lehr- und Forschungsarbeit, beträgt weniger als 7.000 Schilling pro Semester!). Darüber hinaus sind freie feministische Lektorinnen nicht selten mit Ignoranz, Abwertung und Marginalisierung konfrontiert, das heißt, sie müssen permanent um die Anerkennung der wissenschaftlichen Relevanz ihrer Arbeit in den jeweiligen Fachrichtungen kämpfen. Ihre Vereinzelung wird durch die oftmals aus finanziellen Gründen erforderliche Tätigkeit an verschiedenen Instituten verstärkt, die kaum ideellen Rückhalt gewährleisten. Vereinzelnd wirkt für manche zudem ihre interdisziplinäre Herangehensweise, insofern diese sogenannten FachspezialistInnen irrtümlicherweise nicht in ausreichendem Maße qualifiziert erscheint. Dies widerspricht letztlich den Grundsätzen für die Lehre, heißt es doch in der Satzung der Universität Wien, daß ”gezielt und in besonderem Maße qualitätssteigernde Maßnahmen im Bereich der universitären Lehre, Lehre die über die üblichen Fach- und Studiengrenzen hinausgreift, sowie innovative Ansätze im Lehrbereich” gefördert werden sollen. Dennoch gibt es in Österreich, trotz langjähriger Versuche, mehrerer Institutionen und unterschiedlichen Initiativen kein Institut für feministische Wissenschaft und Forschung bei gleichzeitiger Verankerung in den jeweiligen Disziplinen. Neben den hier kurz angeschnittenen wissenschafts/politischen Mißlichkeiten gibt es jedoch noch andere, die eine Verbandsgründung unverzichtbar erscheinen ließen.
Obwohl feministische Wissenschafterinnen
sowohl innerhalb als auch außerhalb der universitären Institutionen
maßgeblich an der gesellschaftsrelevanten Gestaltung der österreichischen
Forschung beteiligt sind und damit einen wesentlichen Beitrag zur emanzipatorischen
Entwicklung der Gesellschaft leisten, gab es bislang weder ein Sprachrohr
noch eine dezidierte Interessenvertretung für ihre Anliegen. Ebensowenig
wie es rechtliche und politische Vertretungsstrukturen gibt, existiert
ein Fachverband, der inhaltlichen Austausch ermöglicht und der eine
Grundlage für eine Vernetzungsarbeit zwischen feministischen Wissenschafterinnen
österreichweit und international bilden könnte.
Dabei sind es gerade die
feministischen Wissenschaften, die durch ihre Nähe zu gesellschaftspolitischen,
emanzipatorischen Bewegungen in besonderem Maße sowohl universitätsintern
als auch in der nicht-institutionalisierten Wissenschaftslandschaft Innovationen
generieren. Feministische Wissenschafterinnen verorten sich hierbei einerseits
in akademischen Zusammenhängen, andererseits in anderen gesellschaftlichen
Bereichen, wie etwa der feministischen Frauenbewegung und unterschiedlichen
Frauenprojekten, die je spezifische politische Forderungen beinhalten (z.B.
bezüglich der gesellschaftlichen und rechtlichen Gleichstellung lesbischer
Lebensweisen). Durch diese heterogenen Verortungen ergibt sich einmal
mehr die Notwendigkeit, einen Zusammenhang zu definieren, der die Vermittlung
der verschiedenen Bereiche ermöglicht und den Differenzen Rechnung
trägt.
Konkrete Form nahm die Idee der Instituierung eines Verbandes, der gegen die formulierten Gegebenheiten (und vieles mehr) antritt, zuallererst während der Österreichischen Wissenschafterinnentagung im November 1998, organisiert von der damaligen Interuniversitären Koordinationsstelle für Frauenforschung, nunmehr Projektzentrum für Frauen- und Geschlechterforschung. In der Folge wurde bei unterschiedlichen Treffen von freien feministischen Wissenschafterinnen (z.B. während einer Tagung in Innsbruck hinsichtlich eines Forschungsprojektes über freie feministische Wissenschafterinnen, durchgeführt von FBI) die Idee vorangetrieben und eine Vorbereitungsgruppe zu einem Gründungstreffen konstituiert, das am 18. März 2000 in den Räumlichkeiten des Vereins Frauenhetz in Wien stattfand. Die zahlreichen dort anwesenden Wissenschafterinnen aus ganz Österreich übertrugen einer Proponentinnengruppe das Mandat, den Verband vereinsrechtlich zu gründen. Bei dem Treffen wurden die Parameter wie zum Beispiel der genaue Name des Verbandes, seine grundsätzlichen Zielrichtungen und Absichten sowie die in den Statuten verankerten Voraussetzungen zur Mitfrauenschaft festgelegt. Am 18. Juni 2000 fand die konstituierende Generalversammlung des Verbands feministischer Wissenschafterinnen. Verein zu Förderung freier feministischer Wissenschafterinnen und feministischer Wissenschaften statt. Im Depot im Museumsquartier, Wien, erfolgte neben dem Beschluß der Statuten die Wahl von Vorstand und Beirat sowie die Festlegung der Höhe der Mitfrauenbeiträge (siehe unten).
Strategien gegen die Unsichtbarmachung
Der Verband feministischer Wissenschafterinnen bezweckt zunächst die verstärkte Sichtbarmachung (freier) feministischer Wissenschafterinnen sowie feministischer Theorien und Forschung in der Öffentlichkeit, um dieser forschungs- und gesellschaftsrelevanten Arbeit den ihr gebührenden Platz zu verschaffen. Die Erreichung dieses Zieles bedingt unter anderem die Erforschung und Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen freier feministischen Wissenschafterinnen, die Vertretung ihrer Interessen und den Aufbau eines Netzwerkes der in Österreich lebenden freien und akademisch institutionalisierten feministischen Wissenschafterinnen. Darüber hinaus ist die Organisation bzw. Verbesserung der Ver- und Übermittlung relevanter Informationen von entscheidender Bedeutung. All dies erscheint uns um so wichtiger, als bei der derzeitigen, nicht nur frauenpolitisch überaus besorgniserregenden österreichischen Regierung sowohl feministische Wissenschaften als auch deren Förderung noch schwieriger durchzusetzen sind als dies bislang der Fall war.
Die Intentionen des Verbands konkretisieren sich durch zielgruppengerichtete Öffentlichkeitsarbeit, verstärkte mediale Präsenz, Vermittlung feministischer Theorien und Forschung sowohl innerhalb als auch außerhalb des universitären Bereiches. Weiters geht es um die Sichtbarmachung der zumeist diskontinuierlichen Lebensläufe von freien feministischen Wissenschafterinnen, die zwar einerseits zu vielseitigsten Qualifikationen in verschiedenen Bereichen führen, die aber unter dem Schlagwort der Flexibilität gleichzeitig oft finanziell prekäre Situationen verdecken, diese letztlich jedoch mit sich bringen. (Kaum bekannt ist, daß viele freie feministische Wissenschafterinnen in Österreich unter dem Existenzminimum leben.) Ferner intendiert der Verband die verstärkte und einmal mehr notwendige internationale Positionierung von in Österreich lebenden feministischen Wissenschafterinnen und deren Forschungen, also die produktive Vernetzung des Verbands mit weltweit existierenden Institutionen und Organisationen aus ähnlichen Bereichen.
Zur nachhaltigen Umsetzung dieser vielschichtigen Arbeitsbereiche wurden und werden seit der konstituierenden Generalversammlung Strukturen entwickelt. Dabei geht es unter anderem um den verstärkten Einbezug von Verbandsvertreterinnen in den Bundesländern sowie die Einrichtung von spezifischen Arbeitsgruppen. Unter anderem ist eine Arbeitsgruppe für wissenschafts/politische Tätigkeiten geplant, wobei es bereits erste Kontaktgespräche mit VertreterInnen des Bundesministeriums gab, weiters sind Koordinationsgespräche mit frauenspezifischen Projekten an der Universität geplant. Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit mit außeruniversitären feministischen Einrichtungen und Projekten ein zentrales Anliegen des Verbandes. Daneben soll eine Arbeitsgruppe konzipiert werden, die sich insbesondere der Auseinandersetzung mit und der Weiterentwicklung von feministischen Theorien und deren Vermittlung widmet. Mit diesem Vorhaben soll nicht nur der Vereinzelung in bezug auf freie feministische Wissenschafterinnen und der Marginalisierung sowie Ablehnung von (teilweise) institutionalisierten Forscherinnen entgegengewirkt werden, sondern darüber hinaus soll weiterhin ein innovativer Beitrag für Feministische Forschung und Gender Studies geleistet werden. Geplant sind diesbezüglich Tagungen, Konferenzen und Publikationen. Daß diese nur nach Maßgabe der Möglichkeiten (z.B. finanzielle Ressourcen) realisierbar sind, ist evident. In bezug auf effiziente Informationsvermittlung wird der Newsletter des Verbandes eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, in dem über die Informationen auf der bereits bestehenden Homepage hinaus vereinsinterne Mitteilungen, Berichte der Arbeitsgruppen etc. zu finden sind. Weitere Arbeitsgruppen wird es unter anderem zu den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Internationales, Finanzen sowie interne und externe Vernetzung geben. Bei allen erwähnten Tätigkeitsbereichen geht es uns immer auch darum, bereits bestehende feministische Strukturen zu unterstützen, einzubinden und mit ihnen zu kooperieren.
Die Koordination und Weiterentwicklung
unserer Vorhaben geschieht am Jour Fixe, jeden ersten Dienstag im
Monat um 19.00 (Ort wird auf der Homepage http://www.vfw.or.at bekanntgegeben).
Wissenschafts/politische
Ziele zu verfolgen und vor allem sie um- und durchzusetzen, erfordert die
explizite Weiterentwicklung der bislang konzipierten Arbeitsbereiche und
-gruppen. Alle Interessierten können sich nicht nur als Mitfrauen
auf der Homepage eintragen, sondern sie sind aufgerufen, die Arbeitsgruppen
mitzugestalten und mitzuprägen, neue Tätigkeitsfelder einzubringen
und damit aktiv zum erfolgreichen Wirken des Verbandes beizutragen.
Rechnungsprüferin: Johanna Schaffer
Beirat: Regina Trotz, Bente
Knoll, Birge Krondorfer, (Veronika Zangl bis 11/2000), Waltraud Ernst,
Katharina Pewny, Ruth Noack, Yvanka Raynova, Alice Pechriggl, Andrea Capovilla,
Helga Treichl