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"Frau-Sein und Wissenschafterin-Sein ist in Österreich noch immer gewissermaßen ein Paradox!"
 Ein on-line Interview von Monika Windisch mit Mitfrauen des Verbands feministischer Wissenschafterinnen.
 

Monika Windisch: Sie alle arbeiten als „freie Lektorin“. Könnten Sie für unsere LeserInnen kurz die Arbeits- und Existenzbedingungen dieser Berufsgruppe schildern?

VfW: Feministische Akademikerinnen teilen als externe Lektorinnen das Los aller externen Lehrbeauftragten, die sukzessive aus den Universitätsbetrieben verdrängt werden bzw. deren Arbeitsverhältnisse äußerst prekär sind:
Lehraufträge werden lediglich pro Studienjahr vergeben, Anträge müssen daher jedes Jahr neu eingereicht werden, wobei es weder eine Garantie dafür gibt, sie abhalten zu können, noch, daß bewilligte Lehraufträge adäquat bezahlt werden ­ die sogenannte Vergütung für einen nicht-remunerierten Lehrauftrag (die österreichische Bezeichnung für unbezahlte Lehr- und Forschungsarbeit) beträgt weniger als 10.000 Schilling pro Semester. Darüber hinaus sind freie feministische Lektorinnen nicht selten mit Ignoranz, Abwertung und Marginalisierung konfrontiert, das heißt, sie müssen permanent um die Anerkennung der wissenschaftlichen Relevanz ihrer Arbeit in den jeweiligen Fachrichtungen kämpfen.

Monika Windisch: Sie haben also mit einer ökonomisch sehr unsicheren Lebenssituation zu kämpfen, die zudem gesellschaftlich und vom „Wissenschaftsbetrieb“ her sehr gering geschätzt wird. Zudem sprechen Sie von Marginalisierung, also einem „am Rande stehen“. Ist damit nicht die Gefahr der Vereinzelung freier feministischer Wissenschaftlerinnen gegeben?

VfW: Ja. Diese Vereinzelung wird durch die oftmals aus finanziellen Gründen erforderliche Tätigkeit an verschiedenen Instituten noch verstärkt. Diese Institute gewährleisten kaum ideellen Rückhalt.  Vereinzelnd wirkt für manche zudem ihre interdisziplinäre Herangehensweise, weil diese den sogenannten „FachspezialistInnen“ irrtümlicherweise nicht in ausreichendem Maße qualifiziert erscheint. Dies widerspricht letztlich den Grundsätzen für die Lehre, heißt es doch zum Beispiel in der Satzung der Universität Wien, daß "gezielt und in besonderem Maße qualitätssteigernde Maßnahmen im Bereich der universitären Lehre, Lehre die über die üblichen Fach- und Studiengrenzen hinausgreift, sowie innovative Ansätze im Lehrbereich² gefördert werden sollen

Monika Windisch: Weil Sie gerade das Wort „Förderung“ erwähnen: In den letzten Jahren wird viel von Frauenförderungsprogrammen gesprochen. Inwieweit hat sich die Situation von Frauen im Wissenschaftsbereich dadurch verändert?

VfW: Die Situation von Frauen im Wissenschaftsbereich ist eine sehr schwierige. Sowohl innerhalb der Universitäten als auch in der sogenannten freien Wissenschaft herrscht immer noch ein Männermonopol vor. Politische Programme zur Frauenförderung und Gleichstellungspolitik, die sehr wichtig sind, haben bisher nur geringfügige Verbesserungen für Frauen geschaffen. Nach wie vor existieren die gläsernen Wände und Decken, durch die Frauen nur schwer durchkommen. Auf vielfältige Weise werden Frauen diskriminiert und ausgeschlossen und im Laufe ihrer wissenschaftlichen Laufbahn und am beruflichen Aufstieg behindert. Karrieremuster und Bewerbungskriterien orientieren sich ausschließlich an männlichen "Mittelklasse" - Lebensmustern.

Monika Windisch: Darf ich Sie bitten, uns kurz zu schildern, welche Konsequenzen das für den Wissenschaftsbereich hat?

VfW: Das drückt sich an den Universitäten etwa im Verhältnis von 100% weiblichem Reinigungspersonal zu 0% Rektorinnen (das ist die hierarchisch höchste Position an einer Universität) aus. Oder, um ein anderes Beispiel zu bringen: Obwohl die Hälfte der Studierenden Frauen sind, gibt es an den österreichischen Universitäten nicht mehr als 5% Professorinnen. Frausein und Wissenschafterinsein sind also in Österreich gewissermassen noch immer ein Paradox.

Monika Windisch: Wenn die Situation von Frauen in den Wissenschaften schon grundsätzlich prekär ist  muß jene von freien feministischen Wissenschaftlerinnen wohl noch schwieriger sein?

VfW: Ja. Dabei sind es gerade die feministischen Wissenschaften, die durch ihre Nähe zu gesellschaftspolitischen, emanzipatorischen Bewegungen in besonderem Maße sowohl universitätsintern als auch in der nicht-institutionalisierten Wissenschaftslandschaft Innovationen generieren. Auch wenn es an den Universitäten und in der freien Wissenschaft seit langem viele Frauen und inzwischen mehrere Einrichtungen gibt, die sich für eine frauenfreundliche und/oder feministisch orientierte Wissenschaft engagieren und auch wenn da und dort trotz der verfestigten alten Strukturen Positives und Erfolgserlebnisse für Frauen erwirkt werden konnten, verorten sich feministische Wissenschafterinnen nur zu einem Teil in akademischen Zusammenhängen. Sie sind aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, wie etwa der feministischen Frauenbewegung und unterschiedlichen Frauenprojekten zu finden, die je spezifische politische Forderungen beinhalten (z.B. bezüglich der gesellschaftlichen und rechtlichen Gleichstellung lesbischer Lebensweisen). Durch diese heterogenen Verortungen ergibt sich einmal mehr die Notwendigkeit, einen Zusammenhang zu definieren, der die Vermittlung der verschiedenen Bereiche ermöglicht und den Differenzen Rechnung trägt.

Monika Windisch: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die gegenwärtigen bildungspolitischen Tendenzen?

VfW: Die gegenwärtigen bildungspolitischen Massnahmen der neuen Regierung lassen befürchten, dass sich für Frauen und für frauenspezifische / feministische Forschung und Lehre einiges verschlechtern könnte. In ihren kurzfristigen Entscheidungsprozessen hinsichtlich universitärer Reformen grenzte bereits bisher die derzeitige schwarz-blaue Regierungskoalition die wissenschaftlichen Interessensvertretungen aus. Nun setzt sie in der künftigen universitären Organisationsstruktur die Grundlagen der neuen ­ extrem reduzierten ­ Mitbestimmungsrechte analog dazu fest. Die neue Universität mit Vollrechtsfähigkeit sieht keine Kommissionen in den einzelnen Bereichen und Kurien vor, sondern konzentriert die sogenannte Mitbestimmung beim Rektor, dem Senat und einem neu einzusetzenden Universitätsrat, der teils von politischen Gremien, teils von wirtschaftlichen Interessensvertretungen besetzt werden soll. Das bedeutet realiter den Abbau demokratischer Strukturen zugunsten autoritärer Entscheidungskompetenzen von einigen wenigen. Ungeacht dessen, dass zwar laut Entwurf zur Vollrechtsfähigkeit etwa die Mitwirkung der Studierenden in Studienfragen pro forma "sicher zu stellen ist, wird das Mitbestimmungsrecht für die Mehrheit der an den Universitäten Arbeitenden und Studierenden abgeschafft.
Zudem läßt die forcierte Geschwindigkeit der Reformen den Universitäten kaum Zeit, trag- und ausbaufähige interne Managementinstrumente oder vor allem entsprechende Strukturen demokratisch zu entwickeln. So steigt die Gefahr, die derzeit doch vorhandene Chance, Frauen und insbesondere feministische Inhalte zumindest marginal zu integrieren, zu zerstören. Es steht zu befürchten, dass es ohne explizite und festgeschriebene Frauenförderung sowie mit der Abschaffung der Gremien zu ähnlich frauenfeindlichen Verhältnissen kommen kann, wie sie bereits weitgehend im Fachhochschulbereich zu beobachten sind.

Monika Windisch: Gerade in letzter Zeit ist viel von "Mobilität zwischen In- und Ausland, Wirtschaft und
Wissenschaft“ die Rede und von Versuchen, "die Einstiegschancen für junge Wissenschaftler“ zu verbessern. Wie beurteilen Sie diese Aussagen?

VfW: Der Entwurf zur Vollrechtsfähigkeit heftet sich "Zielvereinbarung als Prinzip“ auf’s Banner. Prozessorientierung in Forschung und Lehre muss somit der parteipolitisch festgelegten Ergebnisorientiertheit weichen. Die Relevanz der Drittmittelfinanzierung wird sich deshalb  für alle Universitäten erheblich steigen. Doch solch einer Drittmittelfinanzierung "sind in Österreich ­ anders als in Ländern mit einer ausgeprägten Industriestruktur und einer historisch gewachsenen Mäzenatenkultur ­ deutliche Grenzen gesetzt“, wie von der Universität für angewandte Kunst in Wien besonders in Hinblick auf die Bereiche der Kunst(-wissenschaften) und Kultur kritisiert wurde. Bei der absehbaren negativen Entwicklung der Budgetmittel für nicht-wirtschafts- oder technologieorientierte Bereiche werden sich die Probleme vor allem für alle nicht wirtschaftsorientierten Bildungsbereiche und für die außeruniversitäre Forschung zuspitzen. Damit wird in Österreich eine ohnehin marginalisierte feministische Forschung und Lehre keinen "marktfähigen“ Status erlangen können.
Auch durch die Befristung fast aller zukünftigen Dienstverhältnisse im universitären Bereich auf vier Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeit wird es inneruniversitäre wissenschaftliche Karrieren und ein Engagement im Aufbau spezifischer Forschungsschwerpunkte nur mehr in reduziertem Ausmaß geben können. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Staat seinen wirtschaftlich motivierten Einfluss stärkt, während er sich gleichzeitig seiner bildungspolitischen Verantwortung entzieht.

Monika Windisch: Welche Strategien dagegen halten Sie für zielführend?

VfW: Eine der Hauptstrategien für die Verbesserung der Arbeits- und Existenzbedinungen jedweder Berufsgruppe ist mit Sicherheit die grundsätzliche Vernetzung der "Betroffenen“ in einer Vereinigung, welche die Berufsgruppe und ihre Anliegen verstärkt sichtbar machen kann und als Sprachrohr Forderungen zur Verbesserung äußert. In diesem Sinne wurde im Juni letzten Jahres der Verband feministischer Wissenschafterinnen gegründet. Der Verband bezweckt zunächst die verstärkte Sichtbarmachung (freier) feministischer Wissenschafterinnen sowie feministischer Theorien und Forschung in der Öffentlichkeit, um dieser forschungs- und gesellschaftsrelevanten Arbeit den ihr gebührenden Platz zu verschaffen. Die Erreichung dieses Zieles bedingt unter anderem die Erforschung und Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen freier feministischen Wissenschafterinnen, die Vertretung ihrer Interessen und den Aufbau eines Netzwerkes der in Österreich lebenden freien und akademisch institutionalisierten feministischen Wissenschafterinnen. Darüber hinaus ist die Organisation bzw. Verbesserung der Ver- und Übermittlung relevanter Informationen von entscheidender Bedeutung. All dies erscheint uns um so wichtiger, als bei der derzeitigen, nicht nur frauenpolitisch überaus besorgniserregenden österreichischen Regierung sowohl feministische Wissenschaften als auch deren Förderung noch schwieriger durchzusetzen sind als dies bislang der Fall war.

Die Intentionen des Verbands konkretisieren sich durch zielgruppengerichtete Öffentlichkeitsarbeit, verstärkte mediale Präsenz, Vermittlung feministischer Theorien und Forschung sowohl innerhalb als auch außerhalb des universitären Bereiches. Weiters geht es um die Sichtbarmachung der zumeist diskontinuierlichen Lebensläufe von freien feministischen Wissenschafterinnen, die zwar einerseits zu vielseitigsten Qualifikationen in verschiedenen Bereichen führen, die aber unter dem Schlagwort der Flexibilität gleichzeitig oft finanziell prekäre Situationen verdecken, diese letztlich jedoch mit sich bringen. (Kaum bekannt ist, daß viele freie feministische Wissenschafterinnen in Österreich unter dem Existenzminimum leben.) Ferner intendiert der Verband die verstärkte und einmal mehr notwendige internationale Positionierung von in Österreich lebenden feministischen Wissenschafterinnen und deren Forschungen, also die produktive Vernetzung des Verbands mit weltweit existierenden Institutionen und Organisationen aus ähnlichen Bereichen.

(Monika Windisch, März 2001)
Verband feministischer Wissenschafterinnen
Postfach 365, A-1011 Wien, http://www.vfw.or.at, vfwkontakt@yahoo.com

Bundesländervertretung Tirol: monika.windisch@uibk.ac.at

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