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Symposiumsfolder
Über die Vielfalt feministisch-wissenschaftlichen Arbeitens
Am 29. November 2002 fand in Wien ein Symposium des Verbands feministischer Wissenschafterinnen statt.

In Anlehnung an die Idee des platonischen Gastmahls bot das von Michi Ebner, Dagmar Fink, Lucy Georgieva und Katja Wiederspahn konzipierte und organisierte Symposium, das erste einer österreichweiten VfW-Veranstaltungsreihe, einen ansprechenden Rahmen für kollektives Nachdenken und Debattieren. Über den Nachmittag verteilte Kurzreferate setzten Impulse zu den Themen Anerkennungsverhältnisse, spezifische Kompetenzen und Arbeitsverhältnisse feministischer Wissenschafterinnen sowie zur Institutionalisierung feministischer Wissenschaften.

In ihrem Referat über „die Verhältnisse der Anerkennung“ stellte Michi Ebner u.a. die Frage wer wofür wie viel Anerkennung bekomme. Diese lasse sich nicht nur an der Qualität der Produkte der AkteurInnen festmachen. Mangelnde Anerkennung sei nicht als ein Kennzeichen für mangelnde Qualität einer Arbeit zu verstehen, sondern als Ausdruck sozialer Hierarchien. Die AkteurInnen des wissenschaftlichen Feldes sind durch ihre Eingebundenheit in soziale Kategorien wie Gender, sexuelle Orientierung, Klasse, Ethnie zu begreifen.
Diskutiert wurde im Anschluss, wie feministische Wissenschafterinnen, denen es ein besonderes Anliegen ist, einen kritischen und subversiven Blick zu bewahren, gerade Anerkennung von jenen gesellschaftlichen Instanzen (wie z. B. dem akademischen Feld) erwarten können, die sie immer wieder kritisieren. Offen blieb, wie sich alternative Anerkennungsverhältnisse innerhalb der Szene der freien Wissenschafterinnen schaffen, kultivieren und erhalten ließen.

Dagmar Fink und Marcella Stecher betonten in ihrem Vortrag zu „spezifischen Kompetenzen freier Wissenschafterinnen“, dass mit der Position der freien Wissenschafterin meist eine sehr diskontinuierliche Arbeitsbiographie verbunden sei. Freie feministische Wissenschafterinnen werden quasi zum „neoliberalen Subjekt“ par excellence und verfügen als „Unternehmerinnen ihrer eigenen Arbeitskraft“ über soziale, politische, wissenschaftliche, interdisziplinäre und unternehmerische Kompetenzen. Sie vermitteln, systematisieren und managen Wissen, entwickeln eigene Methoden, sind aber notwendigerweise auch gute Office Managerinnen. Ambivalent ist zum Einen die durchaus große Lust an diesen vielfältigen Tätigkeiten, zum Anderen aber oftmalige Überforderung durch diese Arbeitsbedingungen und die ihnen inhärenten Ansprüche. Nahezu verunmöglicht wird die Muße zur Entwicklung von Gedanken um in den erkämpften Freiräumen der eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit nachgehen zu können und sich nicht permanent um das soziale und finanzielle Überleben sorgen zu müssen. Festgehalten wurde jedoch, dass diese Situation die allgemeine Arbeitsmarktsituation kennzeichne und nicht nur Arbeitsbedingungen von freien Wissenschafterinnen.

Monika Mokre stellte am Ende ihres Impulsreferates die Frage, ob das Grundeinkommen als mögliche Finanzierungsmöglichkeit für freie feministische WissenschafterInnen sinnvoll sei, und regte damit eine lebhafte Diskussion der sozialen Absicherung intellektueller Tätigkeit in unsicheren Arbeitsverhältnissen in Bezug auf subjektive Unabhängigkeit an. Denn nach dem Studium oder dem (Herkunfts-)Beruf in die Wissenschaft hinein- bzw. zurückzugehen ist ohne finanzielle Unterstützung der Herkunftsfamilie oder der PartnerIn kaum möglich. Das gesicherte Überleben würde auch – sonst nicht honorierte – Systemkritik ermöglichen und emanzipatorische Prozesse fördern. Doch einem Grundeinkommen für feministische Wissenschafterinnen müsste die gesellschaftliche Anerkennung des Wertes feministischer Arbeit vorausgehen.
Ein weiterer Diskussionspunkt war das Thema der unbezahlten feministischen Arbeit, denn nicht selten müssen feministische Wissenschafterinnen eigenes Geld investieren um ihr Weiterkommen in der Wissenschaft durch das so erarbeitete symbolische Kapital zu ermöglichen. Überlegt wurde etwa über Projekt-Budgets hinausgehendes Engagement durch Selbstdisziplin einzudämmen um AuftraggeberInnen zu zeigen, dass für das verfügbare Geld nur ein bestimmtes Maß an Arbeit zu haben sei. Un- oder schlecht bezahlte wissenschaftliche Arbeit wird in der Realität trotzdem teils als lustvoll erlebt, weil gut bezahlte Projekte oft weniger interessant seien. Außerdem ist nach wie vor unbezahlte feministische Arbeit politische Notwendigkeit zur Herstellung einer feministischen Öffentlichkeit.

Die Diskussion der Vorträge von Helga Eberherr und Lucy Georgieva zur Institutionalisierung von Gender Studies an den Universitäten thematisierte abschließend die große Gefahr feministische Inhalte prinzipiell nur noch aus Sonderkontingenten zu finanzieren, und den Nachteil des Begriffes "Gender Studies": die Unsichtbarmachung von Frauen und feministischen Theorien.

Sabine Prokop
(für den VfW)

Veröffentlicht in STICHWORT-Newsletter 15/2003, Wien, 14-15
 

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