Feministische
Wissenschafterinnen in Österreich organisieren sich in einem Verband
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Am 18. Juni 2000 wurde der Verband feministischer Wissenschafterinnen. Verein zur Förderung freier feministischer Wissenschafterinnen und feministischer Wissenschaften in Österreich gegründet.[1] Diese Gründung hat mehrere Ursachen: Einer der zentralen Ausgangspunkte war die immer noch eklatante Unterrepräsentation freier, und vor allem freier feministischer Wissenschafterinnen in akademischen und wissenschafts-politischen Bereichen sowie die zahlreichen, bislang nicht verwirklichten Forderungen von und für freie feministische Wissenschafterinnen, deren Existenz einmal mehr auf dem Spiel steht. Obwohl in der vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr unter der SPÖVP-Koalitionsregierung herausgegeben Broschüre Weißbuch zur Förderung von Frauen in den Wissenschaften erstmals auf freie, und mit knappen Worten auf freie feministische Wissenschafterinnen Bezug genommen wurde, sind bislang keine adäquaten Umsetzungen erfolgt, oder auch nur abzusehen.[2] Ganz im Gegenteil. Die gegenwärtige wissenschafts-politische Stoßrichtung der FPÖVP-Koalitionsregierung bringt eine eklatante Verschlechterung der Situation: [3]
Die Rubrik "Wissenschaft, Forschung und Technologie" wurde im neuen Regierungsprogramm frauenfrei gestaltet. Weder für den inner- noch den außeruniversitären Bereich sind Forderungen zur Förderung von Frauen und feministischen Theorien genannt. Die weibliche Sprachform ist nicht mehr vorhanden. Das Programm läßt sich wie folgt zusammenfassen: Wissenschaft - eine angestrebte Männerdomäne.[4] Im neoliberalistischen Denk- und Sprachstil findet sich im Rahmen der neuen Regierungsdeklaration zugunsten der Bio- und Gentechnologie sowie der Förderung von Technologieforschung weder Frauenforschung, Genderstudies noch feministische Theorie und Wissenschaft.
Außerhalb des Bereiches "Wissenschaft, Forschung und Technologie" befindet sich allerdings ein kurzer Passus, vor der relativ lang beschriebenen Rubrik "Sport", der nicht nur für die Gesundheit enorm wichtig sei, sondern auch für die "soziale Integration, die nationale bzw. regionale Identifikation", wie es erschreckenderweise heißt. "Chancengleichheit für Frauen in der Wissenschaft und spezifische Förderung für Frauen und Mädchen in allen Bildungsbereichen, vor allem in Wissenschaft und Technik", lautet jene Stelle, kommentarlos. Mit dieser Floskel wird allerdings weder verdeutlicht, um welche Förderungen es gehen soll, noch wird einsichtig, warum diese "Absichtserklärung" nicht im Bereich "Wissenschaft, Forschung und Technologie" genannt wird. Auffällig, doch kaum verwundernd dagegen ist die zentrale Bedeutung des Sports (integriert übrigens zynischerweise in den Bereich "Bildung").
Geistes- und Kulturwissenschaften sind verdrängt. Bildung wird zur Ausbildung in Zusammenhang mit einer "effizienten Kosten-Nutzen-Rechnung", die rasch, kritik- und reflexionslos hinter sich zu bringen alle aufgefordert sind. Die missliche Einführung von Studiengebühren werden zudem für eine zahlenmäßig eingeschränkte und elitäre Auswahl von Studierenden sorgen: vorauszusagen ist die Reduzierung der Anzahl von Studentinnen.
Das Verdrängen von Bildung im eigentlichen Sinne zeigt einmal mehr die Intention, pluralistisches und kritisches Denken auszulöschen, und - damit einhergehend - nicht nur geistes- und kulturwissenschaftliche Disziplinen abzuschaffen, sondern auch die Existenz derjenigen, die diese ausüben zu vernichten. Freie feministische Wissenschafterinnen werden unter den ersten sein, deren Existenz auf dem Spiel steht. Umsomehr war es wichtig, einen Verbandzu gründen, der politisch präsent und tätig ist, gemeinsam Strategien entwickelt, erneut explizite Forderungen für feministische Wissenschaften (im inner- und außeruniversitären Bereich) stellt und die forschungs- und gesellschafts-politisch relevanten Arbeiten feministischer Denkerinnen, Lektorinnen, Forscherinnen ... sichtbar macht: gegen diese Regierung.
Die
Freiheit, die wir meinen
Selbstverständlich
teilen feministische Akademikerinnen als externe Lektorinnen das Los aller
externen Lehrbeauftragten, die immer vehementer aus den Universitäten
verdrängt werden [5] bzw. deren
Arbeitsverhältnisse äußerst prekär sind:[6]
Lehraufträge, die pro Studienjahr vergeben und deshalb jedes Jahr
neu eingereicht werden müssen, bedeuten nicht unbedingt - so sie überhaupt
bewilligt werden -, eine adäquate Bezahlung zu erhalten. An Zynismus
erinnernde Sätze schmälern nach einiger Zeit die sogenannte Ehre:
"Der unterfertigte Studiendekan beehrt sich mitzuteilen, daß
sie (...) mit der Abhaltung nachstehender nicht remunerierter Lehraufträge
(...) betraut wurden." Im Klartext: die Nicht-Remuneration bedeutet weniger
als 10.000 ATS im Semester zu erhalten - ohne Sozialversicherungen. Darüber
hinaus gibt es noch halb bezahlte, etwas mehr bezahlte - mit oder ohne
Sozialversicherung -, oder bei ein wenig Glück einen remunerierten
Lehrauftrag, der pro Monat nicht ganz 5000 ATS aufs Konto bringt. Kaum
bekannt ist, daß viele freie feministische Wissenschafterinnen in
Österreich unter dem Exitenzminimum leben. Die Freiheit, die
wir meinen, hat nichts mit Geld zu tun.
"Der Platz der (feministischen) Theoretikerin ist", so Elisabeth List, "am Rande der machtvollen Institutionen des politischen und wissenschaftlichen Diskurses," [7] worin sie eine Chance der intellektuellen Kreativität und zugleich Spannungen und Konflikte sieht. Dass sich das Dasein an der Peripherie von Institutionen für Universitätsinterne anders gestaltet als für Externe, ist evident: auch in bezug auf feministische Wissenschafterinnen. So bringt außerinstitutionelles Denken und Produzieren zusätzliche Erschwernisse mit sich und die leidige Notwendigkeit, sich den Lebensunterhalt neben wissenschaftlichen Arbeiten zu sichern, führt für immer mehr Externe zum unfreiwilligen Aufgeben der wissenschaftlichen Tätigkeit.
Darüber hinaus sind freie feministische Wissenschafterinnen nicht selten mit Ignoranz, Abwertung und Marginalisierung konfrontiert, und müssen um die Anerkennung der wissenschaftlichen Relevanz ihrer Arbeit in den jeweiligen Fachrichtungen kämpfen. Ihre Vereinzelung wird durch die oftmals aus finanziellen Gründen erforderliche Tätigkeit an verschiedenen Instituten verstärkt, die kaum idellen Rückhalt gewährleisten. Vereinzelnd wirkt für manche zudem ihre inter- bzw. transdisziplinäre Herangehensweise, insofern diese von einzelnen Disziplinen als nicht qualifiziert abgewertet wird. Doch bietet - im Gegensatz zu dieser Haltung - gerade eine inter- bzw. transdisziplinäre Herangehensweise die Möglichkeit pluralistischer Sichtweisen, die umsomehr erforderlich sind als es der neuen Regierung um die Auslöschung des Pluralismus geht. Dass diese letztlich das Ende des Politischen bedeutet, kann nicht oft genug mit Hannah Arendt betont werden.
Durch die Verortung von freien feministischen Wissenschafterinnen sowohl in akademischen Zusammenhängen als auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen - wie etwa der feministischen Frauenbewegung und unterschiedlichen Frauenprojekten, die je spezifische politische Forderungen stellen (z.B. die gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung lesbischer Lebensweisen) -, ergibt sich einmal mehr die Notwendigkeit, einen Zusammenhang zu definieren, der die Vermittlung der verschiedenen Bereiche ermöglicht und den Differenzen Rechnung trägt.
Dass der außeruniversitäre
Status Kreativität ermöglicht, steht allerdings dem Faktum
gegenüber, dass er für viele keineswegs auf Freiwilligkeit beruht.
Beinahe zynisch klingt da die in Österreich gebräuchlich gewordene
Bezeichnung Freie Wissenschafterinnen. Frei sind wir auch darin
nicht, wenn es um Forschungsanträge, -ansuchen und Bewerbungen geht,
im Gegenteil: Institute sind erforderlich, universitätsinterne MitantragstellerInnen
und vieles mehr, was den externen Status oftmals verschwimmen läßt
und MentorInnen erforderlich macht. So sind Externe keineswegs gefeit vor
u.a. institutionellen Regeln, bis hin zu den bekannten "strategischen"
Überlegungen, die zu etwas führen - oder auch nirgendwo hin.
Zu überlegen bleibt:
wofür wir frei sein wollen und wohin diese Freiheit führen kann.
[8]
Strategien
gegen die Unsichtbarmachung
Der Verband feministischer
Wissenschaften in Österreich bezweckt die verstärkte Sichtbarmachung
(freier) feministischer Wissenschafterinnen sowie feministischer Theorien
und Forschung in der Öffentlichkeit, um dieser forschungs- und gesellschafts-politisch
relevante Arbeit den ihr gebührenden Platz zu verschaffen. Die Erreichung
dieses Ziels bedingt u.a. die Erforschung und Verbesserung der Lebens-
und Arbeitsbedingungen freier feministischer Wissenschafterinnen; die
Vertretung ihrer Interessen und den Aufbau eines Netzwerkes der in Österreich
lebenden freien und akademisch institutionalisierten feministischen Wissenschafterinnen.
Ferner geht es um die Sichtbarmachung der zumeist diskontinuierlichen Lebensläufe von freien feministischen Wissenschafterinnen sowie um die verstärkte und einmal mehr notwendige internationale Positionierung von in Österreich lebenden freien feministischen Wissenschafterinnen und deren Forschungen, also um die produktiove Vernetzung des Verbandes mit weltweit existierenden Institutionen und Organisationen aus ähnlichen Bereichen.
Strukturen und spezifische Arbeitsgruppen (z.B. AG Wissenschafts-politische Tätigkeit, AG Auseinandersetzung und Weiterentwicklung von feministischen Theorien und deren Vermittlung) wurden entwickelt; Tagungen, Konferenzen und Publikationen sind geplant. Koordinationsgespräche mit frauenspezifischen Projekte an der Universität werden durchgeführt. Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit mit außeruniversitären feministischen Einrichtungen und Projekten ein zentrales Anliegen des Verbandes. Dabei geht es uns immer auch darum, bereits bestehende feministische Strukturen zu unterstützen, einzubinden und mit ihnen zu kooperieren.
Die Intentionen des Verbandes
konkretisieren sich durch verstärkte öffentliche und mediale
Präsenz sowie Vermittlung feministischer Theorien und Forschung sowohl
innerhalb als auch außerhalb des universitären Bereiches.
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Die Koordination und Weiterentwicklung unserer Vorhaben geschieht am Jour Fixe, Zeit und Ort wird auf der Homepage bekanntgegeben.
Wissenschafts-politische
Ziele zu verfolgen und vor allem sie um- und durchzusetzen, erfordert die
explizite Weiterentwicklung der bislang konzipierten Arbeitsbereiche. Alle
Interessierten können sich nicht nur als Mitfrauen auf der
Homepage eintragen, sondern sind aufgerufen, aktiv zum erfolgreichen Wirken
des Verbandes beizutragen.
Beitragsgebühren: ordentliche
Mitfrau: 300 ATS (Mindestbeitrag 150 ATS), fördernde Mitfrauen:
ab 1000 ATS
Kontaktadresse:
Verband feministischer Wissenschafterinnen.
Postfach 356, A-1011 Wien
e-mail: vfwkontakt@yahoo.com
(Andrea
B. Braidt)
Homepage: http://www.vfw.or.at