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Vernetzt - Verstrickt - Verbunden

Feministische Wissenschafterinnen in Österreich organisieren sich in einem Verband
 
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War es in Österreich bereits vor dem 4. Februar 2000 dringend notwendig, die Vereinsgründung eines Verbandes feministischer Wissenschafterinnen zu initiieren, so wurde es danach umso wichtiger, ein Sprachrohr für freie feministische Wissenschafterinnen und feministische Wissenschaften zu etablieren, das sich gegen die frauenfeindliche (Stichwort: Abschaffung des Frauenministeriums), wissenschaftsignorante (Stichwort: Zerschlagung des Wissenschaftsministeriums) und neoliberale (Stichwort: ständestaatsanaloge Zusammenlegung von Arbeits- und Wirtschaftsministerium) Politik der neuen Koalitionsregierung wendet.

Am 18. Juni 2000 wurde der Verband feministischer Wissenschafterinnen. Verein zur Förderung freier feministischer Wissenschafterinnen und feministischer Wissenschaften in Österreich gegründet.[1] Diese Gründung hat mehrere Ursachen: Einer der zentralen Ausgangspunkte war die immer noch eklatante Unterrepräsentation freier, und vor allem freier feministischer Wissenschafterinnen in akademischen und wissenschafts-politischen Bereichen sowie die zahlreichen, bislang nicht verwirklichten Forderungen von und für freie feministische Wissenschafterinnen, deren Existenz einmal mehr auf dem Spiel steht. Obwohl in der vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr unter der SPÖVP-Koalitionsregierung herausgegeben Broschüre Weißbuch zur Förderung von Frauen in den Wissenschaften erstmals auf freie, und mit knappen Worten auf freie feministische Wissenschafterinnen Bezug genommen wurde, sind bislang keine adäquaten Umsetzungen erfolgt, oder auch nur abzusehen.[2] Ganz im Gegenteil. Die gegenwärtige wissenschafts-politische Stoßrichtung der FPÖVP-Koalitionsregierung bringt eine eklatante Verschlechterung der Situation: [3]

Die Rubrik "Wissenschaft, Forschung und Technologie" wurde im neuen Regierungsprogramm frauenfrei gestaltet. Weder für den inner- noch den außeruniversitären Bereich sind Forderungen zur Förderung von Frauen und feministischen Theorien genannt. Die weibliche Sprachform ist nicht mehr vorhanden. Das Programm läßt sich wie folgt zusammenfassen: Wissenschaft - eine angestrebte Männerdomäne.[4] Im neoliberalistischen Denk- und Sprachstil findet sich im Rahmen der neuen Regierungsdeklaration zugunsten der Bio- und Gentechnologie sowie der Förderung von Technologieforschung weder Frauenforschung, Genderstudies noch feministische Theorie und Wissenschaft.

Außerhalb des Bereiches "Wissenschaft, Forschung und Technologie" befindet sich allerdings ein kurzer Passus, vor der relativ lang beschriebenen Rubrik "Sport", der nicht nur für die Gesundheit enorm wichtig sei, sondern auch für die "soziale Integration, die nationale bzw. regionale Identifikation", wie es erschreckenderweise heißt. "Chancengleichheit für Frauen in der Wissenschaft und spezifische Förderung für Frauen und Mädchen in allen Bildungsbereichen, vor allem in Wissenschaft und Technik", lautet jene Stelle, kommentarlos. Mit dieser Floskel wird allerdings weder verdeutlicht, um welche Förderungen es gehen soll, noch wird einsichtig, warum diese "Absichtserklärung" nicht im Bereich "Wissenschaft, Forschung und Technologie" genannt wird. Auffällig, doch kaum verwundernd dagegen ist die zentrale Bedeutung des Sports (integriert übrigens zynischerweise in den Bereich "Bildung").

Geistes- und Kulturwissenschaften sind verdrängt. Bildung wird zur Ausbildung in Zusammenhang mit einer "effizienten Kosten-Nutzen-Rechnung", die rasch, kritik- und reflexionslos hinter sich zu bringen alle aufgefordert sind. Die missliche Einführung von Studiengebühren werden zudem für eine zahlenmäßig eingeschränkte und elitäre Auswahl von Studierenden sorgen: vorauszusagen ist die Reduzierung der Anzahl von Studentinnen.

Das Verdrängen von Bildung im eigentlichen Sinne zeigt einmal mehr die Intention, pluralistisches und kritisches Denken auszulöschen, und - damit einhergehend - nicht nur geistes- und kulturwissenschaftliche Disziplinen abzuschaffen, sondern auch die Existenz derjenigen, die diese ausüben zu vernichten. Freie feministische Wissenschafterinnen werden unter den ersten sein, deren Existenz auf dem Spiel steht. Umsomehr war es wichtig, einen Verbandzu gründen, der politisch präsent und tätig ist, gemeinsam Strategien entwickelt, erneut explizite Forderungen für feministische Wissenschaften (im inner- und außeruniversitären Bereich) stellt und die forschungs- und gesellschafts-politisch relevanten Arbeiten feministischer Denkerinnen, Lektorinnen, Forscherinnen ... sichtbar macht: gegen diese Regierung.

Die Freiheit, die wir meinen
Selbstverständlich teilen feministische Akademikerinnen als externe Lektorinnen das Los aller externen Lehrbeauftragten, die immer vehementer aus den Universitäten verdrängt werden [5] bzw. deren Arbeitsverhältnisse äußerst prekär sind:[6]  Lehraufträge, die pro Studienjahr vergeben und deshalb jedes Jahr neu eingereicht werden müssen, bedeuten nicht unbedingt - so sie überhaupt bewilligt werden -, eine adäquate Bezahlung zu erhalten. An Zynismus erinnernde Sätze schmälern nach einiger Zeit die sogenannte Ehre: "Der unterfertigte Studiendekan beehrt sich mitzuteilen, daß sie (...) mit der Abhaltung nachstehender nicht remunerierter Lehraufträge (...) betraut wurden." Im Klartext: die Nicht-Remuneration bedeutet weniger als 10.000 ATS im Semester zu erhalten - ohne Sozialversicherungen. Darüber hinaus gibt es noch halb bezahlte, etwas mehr bezahlte - mit oder ohne Sozialversicherung -, oder bei ein wenig Glück einen remunerierten Lehrauftrag, der pro Monat nicht ganz 5000 ATS aufs Konto bringt. Kaum bekannt ist, daß viele freie feministische Wissenschafterinnen in Österreich unter dem Exitenzminimum leben. Die Freiheit, die wir meinen, hat nichts mit Geld zu tun.

"Der Platz der (feministischen) Theoretikerin ist", so Elisabeth List, "am Rande der machtvollen Institutionen des politischen und wissenschaftlichen Diskurses," [7] worin sie eine Chance der intellektuellen Kreativität und zugleich Spannungen und Konflikte sieht. Dass sich das Dasein an der Peripherie von Institutionen für Universitätsinterne anders gestaltet als für Externe, ist evident: auch in bezug auf feministische Wissenschafterinnen. So bringt außerinstitutionelles Denken und Produzieren zusätzliche Erschwernisse mit sich und die leidige Notwendigkeit, sich den Lebensunterhalt neben wissenschaftlichen Arbeiten zu sichern, führt für immer mehr Externe zum unfreiwilligen Aufgeben der wissenschaftlichen Tätigkeit.

Darüber hinaus sind freie feministische Wissenschafterinnen nicht selten mit Ignoranz, Abwertung und Marginalisierung konfrontiert, und müssen um die Anerkennung der wissenschaftlichen Relevanz ihrer Arbeit in den jeweiligen Fachrichtungen kämpfen. Ihre Vereinzelung wird durch die oftmals aus finanziellen Gründen erforderliche Tätigkeit an verschiedenen Instituten verstärkt, die kaum idellen Rückhalt gewährleisten. Vereinzelnd wirkt für manche zudem ihre inter- bzw. transdisziplinäre Herangehensweise, insofern diese von einzelnen Disziplinen als nicht qualifiziert abgewertet wird. Doch bietet - im Gegensatz zu dieser Haltung - gerade eine inter- bzw. transdisziplinäre Herangehensweise die Möglichkeit pluralistischer Sichtweisen, die umsomehr erforderlich sind als es der neuen Regierung um die Auslöschung des Pluralismus geht. Dass diese letztlich das Ende des Politischen bedeutet, kann nicht oft genug mit Hannah Arendt betont werden.

Durch die Verortung von freien feministischen Wissenschafterinnen sowohl in akademischen Zusammenhängen als auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen - wie etwa der feministischen Frauenbewegung und unterschiedlichen Frauenprojekten, die je spezifische politische Forderungen stellen (z.B. die gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung lesbischer Lebensweisen) -, ergibt sich einmal mehr die Notwendigkeit, einen Zusammenhang zu definieren, der die Vermittlung der verschiedenen Bereiche ermöglicht und den Differenzen Rechnung trägt.

Dass der außeruniversitäre Status Kreativität ermöglicht, steht allerdings dem Faktum gegenüber, dass er für viele keineswegs auf Freiwilligkeit beruht. Beinahe zynisch klingt da die in Österreich gebräuchlich gewordene Bezeichnung Freie Wissenschafterinnen. Frei sind wir auch darin nicht, wenn es um Forschungsanträge, -ansuchen und Bewerbungen geht, im Gegenteil: Institute sind erforderlich, universitätsinterne MitantragstellerInnen und vieles mehr, was den externen Status oftmals verschwimmen läßt und MentorInnen erforderlich macht. So sind Externe keineswegs gefeit vor u.a. institutionellen Regeln, bis hin zu den bekannten "strategischen" Überlegungen, die zu etwas führen - oder auch nirgendwo hin.
Zu überlegen bleibt: wofür wir frei sein wollen und wohin diese Freiheit führen kann. [8]

Strategien gegen die Unsichtbarmachung
Der Verband feministischer Wissenschaften in Österreich bezweckt die verstärkte Sichtbarmachung (freier) feministischer Wissenschafterinnen sowie feministischer Theorien und Forschung in der Öffentlichkeit, um dieser forschungs- und gesellschafts-politisch relevante Arbeit den ihr gebührenden Platz zu verschaffen. Die Erreichung dieses Ziels bedingt u.a. die Erforschung und Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen freier feministischer Wissenschafterinnen; die Vertretung ihrer Interessen und den Aufbau eines Netzwerkes der in Österreich lebenden freien und akademisch institutionalisierten feministischen Wissenschafterinnen.

Ferner geht es um die Sichtbarmachung der zumeist diskontinuierlichen Lebensläufe von freien feministischen Wissenschafterinnen sowie um die verstärkte und einmal mehr notwendige internationale Positionierung von in Österreich lebenden freien feministischen Wissenschafterinnen und deren Forschungen, also um die produktiove Vernetzung des Verbandes mit weltweit existierenden Institutionen und Organisationen aus ähnlichen Bereichen.

Strukturen und spezifische Arbeitsgruppen (z.B. AG Wissenschafts-politische Tätigkeit, AG Auseinandersetzung und Weiterentwicklung von feministischen Theorien und deren Vermittlung) wurden entwickelt; Tagungen, Konferenzen und Publikationen sind geplant. Koordinationsgespräche mit frauenspezifischen Projekte an der Universität werden durchgeführt. Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit mit außeruniversitären feministischen Einrichtungen und Projekten ein zentrales Anliegen des Verbandes. Dabei geht es uns immer auch darum, bereits bestehende feministische Strukturen zu unterstützen, einzubinden und mit ihnen zu kooperieren.

Die Intentionen des Verbandes konkretisieren sich durch verstärkte öffentliche und mediale Präsenz sowie Vermittlung feministischer Theorien und Forschung sowohl innerhalb als auch außerhalb des universitären Bereiches.
 
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Aktuell dazu: ”speed kills”... feministische Wissenschafterinnen?
Der VfW-Text von Herta Nöbauer und Sabine Prokop thematisiert einzelne Aspekte der komplexen
Umstrukturierungen, mit denen sich die österreichische Wissenschaftslandschaft nach einem Jahr schwarz-blauer Koalitionsregierung konfrontiert sieht,  vor allem in Hinblick auf die schwierige Situation der feministischen Wissenschafterinnen.

Die Koordination und Weiterentwicklung unserer Vorhaben geschieht am Jour Fixe, Zeit und Ort wird auf der Homepage bekanntgegeben.

Wissenschafts-politische Ziele zu verfolgen und vor allem sie um- und durchzusetzen, erfordert die explizite Weiterentwicklung der bislang konzipierten Arbeitsbereiche. Alle Interessierten können sich nicht nur als Mitfrauen auf der Homepage eintragen, sondern sind aufgerufen, aktiv zum erfolgreichen Wirken des Verbandes beizutragen.
Beitragsgebühren: ordentliche Mitfrau: 300 ATS (Mindestbeitrag 150 ATS),  fördernde Mitfrauen: ab 1000 ATS

Kontaktadresse:
Verband feministischer Wissenschafterinnen. Postfach 356, A-1011 Wien
e-mail: vfwkontakt@yahoo.com (Andrea B. Braidt)
Homepage: http://www.vfw.or.at

Gudrun Perko (Mai 2001)
  

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[1] In meinem Beitrag verwende ich Auszüge aus dem Artikel “Verbunden in prekären Zeiten. Feministische Wissenschafterinnen verschaffen sich verstärkt Gehör” (Andrea B. Braidt, Gudrun Perko, Veronika Zangl), in: sic! Forum für feministische GangArten, Nr. 34 August, Wien 2000. Hier wie auch in unserer Homepage sind historischen Hintergründe – von der Idee eines Verbandes zur de facto Gründung - nachzulesen.
[2] Weißbuch zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft, Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (Hg.), Wien 1999. Zum Inhalt und zu meiner Kritik am Weißbuch siehe “Weibliche Denkarbeit und Strategien” (Interview, geführt von Elisabeth Malleier), Volksstimme, 33/19. August, Wien 1999
[3] Ich beziehe mich hier ausschließlich auf den Bereich Wissenschaft. Im Hinblick auf notwendigen Widerstand gegen und entschiedene Kritik an diese Regierung siehe Die Sprache des Widerstands ist alt wie die Welt und ihr Wunsch. Frauen in Österreich schreiben gegen Rechts, Milena (Hg.), Wien 2000
[4] Gewiss ist, daß sich keineswegs alle “Herren der Schöpfung” auf mehr Erfolg und raschere Karriere im wissenschaftlichen Betrieb freuen können.
[5] So ist gegenwärtig etwa am Institut für Philosophie in Wien die 70%ge Streichung externer LektorInnen geplant.
[6]Bereits 1999 organisierten sich in diesem Zusammenhang externe Lektorinnen und Lektoren im Rahmen der Proteste gegen das damals geplante universitäre “Sparpaket” in Österreich. Die Interessensgemeinschaft Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen machte erstmals auf die immensen innovativen Beiträge aufmerksam, die Externe an den Universitäten leisten sowie überhaupt auf die Existenz externer, freier WissenschafterInnen in Österreich und deren prekäre (finanzielle) Lage.
[7] Siehe Gudrun Perko, "Philosophie und Feminismus” in Innovationen. Standpunkte feministischer Forschung und Lehre, Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft. Hg. Interuniversitäre Koordinationsstelle für Frauenforschung und Frauenstudien (Ingvild Birkhan, Elisabeth Mixa, Susanne Rieser, Sabine Strasser), Wien 1999
[8] Siehe dazu: Autonomie in Bewegung. 6. Österreichische Frauensommeruniversität. Texte, Reflexionen, Sub-Versionen, Hg. Verein zur Förderung von Frauenbildungsprojekten, Wien 1991
 

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