Am 10. 1. 2018 er email an lr.haberlander@ooe.gv.at, in :cc an LH Stelzer lh.stelzer@ooe.gv.at und das OÖ Frauenreferat frauen@ooe.gv.at
Sehr geehrte Frau Landesrätin Mag.a Haberlander,
wir, der Verband feministischer Wissenschafteri*nnen, sind bestürzt und schockiert über die Entscheidung des Frauenreferats des Landes Oberösterreich, kurzfristig und ohne Vorwarnung die Förderung der Frauen*beratungsstellen maiz, FIFTITU% und Arge SIE zu 100 % zu streichen. Arge SIE, maiz und FIFTITU% leisten seit Jahrzehnten einen unverzichtbaren gesellschaftlichen Beitrag. Die Arbeit der Vereine richtet sich explizit an wohnungssuchende Frauen*, an Künstler*innen, Sexarbeiter*innen und Migrant*innen. Die Vereine bieten Beratungen, Weiterbildung und Empowerment für Frauen*, die wenig Wertschätzung in der Gesellschaft erfahren, besonders häufig von Ausgrenzung betroffen sind und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
Eine niederschwellige, wertschätzende und vor allem auf die konkreten Bedürfnisse und Lebensumstände der Frauen* ausgerichtete Beratung muss der Politik ein wichtiges gesellschaftspolitisches Anliegen sein.
Es ist ein Widerspruch und angesichts der zunehmenden Prekarisierung der Lebenssituationen von Frauen absolut nicht nachvollziehbar, diese Beratungen nun einzustellen. Die spezifischen Kompetenzen von maiz, FIFTITU% und Arge SIE sind durch andere Beratungsstellen nicht ersetzbar. Maiz, FIFTITU% und Arge SIE sind wichtige regionale Kompetenzzentren und Netzwerke, um Mädchen und Frauen* in der Region zu beraten und zu unterstützen. Gleichzeitig waren und sind sie wertvolle, kompetente und engagierte Partner*innen in der österreichweiten und darüber hinaus gehenden Vernetzung im feministischen und Frauen*bereich – trotz und wegen der auch bislang schon deutlich wachsenden Prekarisierung.
Dass diese Arbeit nun nach den neuen Förderkriterien nicht mehr zum Kerngeschäft des Frauenreferates gehören soll, ist für uns nicht nachvollziehbar.
Die vom Frauenreferat Oberösterreich angegebenen Grundsätze korrespondieren mit den deklarierten Grundprinzipien der von der Kürzung betroffenen Beratungsstellen! Wir fragen uns: Wie kann die Förderung der Arbeit für und mit wohnungssuchenden Frauen*, Künstler*innen, Sexarbeiter*innen und Migrant*innen nicht mehr zu den frauen*politischen Anliegen zählen?
Soll für die Interessen dieser Frauen* nicht mehr sensibilisiert werden?
Sind diese Frauen* etwa nicht mehr förderungswürdig?
Sind ihre Problemlagen es nicht wert, sichtbar gemacht zu werden?
Sollen für sie keine Hürden mehr abgebaut werden?
Will das Frauenreferat ihre Interessen künftig nicht mehr unterstützen?
Darüber hinaus halten wir es demokratiepolitisch für höchst bedenklich, die in der Begründung angeführten neuen Förderkriterien nicht schriftlich auszuweisen und öffentlich einsehbar zu machen. Ein solches Vorgehen birgt den Beigeschmack von Willkür und Nepotismus.
Durch Ihre Kürzungen verlieren nicht nur qualifizierte Mitarbeiter*innen ihren Arbeitsplatz und ihre Absicherung, die Frauen* der Region verlieren wichtige Anlaufstellen und langjährig aufgebautes Know-how, erarbeitet in jahrzehntelanger Erfahrung, eine sorgfältig aufgebaute Vertrauensbasis zu den Frauen* sowie eine umfassende Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, gehen verloren.
Das würde einen langfristigen Verlust für Oberösterreich bedeuten, mit weitreichenden Konsequenzen – für die betroffenen Frauen* und für die betroffenen Initiativen.
Dass die Arbeit der betroffenen Beratungsstellen eine wichtige Leistung für OÖ und weit darüber hinaus darstellt, lässt sich auch an zahlreichen Preisen und Auszeichnungen (auch von Seiten der OÖ Landesregierung) ablesen.
Die angekündigten Kürzungen stehen dazu im eklatanten Widerspruch.
Frau Landesrätin, wir fordern Sie auf, Ihre Entscheidung zu widerrufen! Wir appellieren an Ihre Weitsicht und fordern Sie auf, die professionelle und effektive Arbeit der betroffenen Frauen*beratungsstellen anzuerkennen und damit auch den Frauen*, die sie vertreten, Ihre Wertschätzung auszudrücken.
Frau Mag.a Haberlander, nehmen Sie die Streichung der Finanzierung von maiz, FIFTITU% und Arge SIE zurück und entwickeln Sie mit den betroffenen Einrichtungen gemeinsam eine Lösung für die mittelfristige Finanzierung und Absicherung der Arbeit.
Mit feministischen Grüßen
Dr.in Mag.a Esther Hutfless e.h. (Vorstand)
Diana Sadounig BA BA e.h. (Vorstand)
Mag.* Birgit Hofstätter MA e.h. (OÖ-Kontaktfrau)
Verband feministischer Wissenschafteri*nnen www.vfw.or.at